Donnerstag, 30. Juli 2009

Los Angeles/Hermosa Beach: Independence Day 2009: America - FUCK YEAH!

"Los Angeles ist keine Stadt, sondern eine Ansammlung sehr großer Vororte." Dieser kürzlich aufgeschnappten Beschreibung des Großraums LA kann ich nur zustimmen. Umso mehr, nachdem ich festellen durfte, wie lange es dauert von einem Ort in LA (Hollywood) zu einem anderen zu kommen (Hermosa Beach). Auf meine Frage, was denn der beste Weg sei, um dorthin zu kommen, bekam ich an der Rezeption des Hostels die Antwort "Nimm dir einen Mietwagen, mit den Öffis braucht's gute drei Stunden". Mit einem besserwisserischen europäischen Lächeln auf den Lippen machte ich mich auf den Weg. Diese Amis, was wissen die schon von öffentlichen Verkehrsmitteln... Also, Startschuss 16 Uhr 10, ein kurzer Fußmarsch, rein in die U-Bahn, zweimal umsteigen, nach einer halben Stunde Wartezeit auf einen Bus wechseln, noch ein kurzer Fußmarsch, dann stand ich vorm gewünschten Hostel in Hermosa Beach. Klingt easy und schnell. Ersteres war es auch, allerdings zweiteres: "Reise"zeit - Drei Stunden und fünf Minuten. Tja, Welcome to LA, Hiasi, du Landei...
Nach Hermosa Beach war ich gekommen, da mir zwei Reisebekannte aus Kalifornien empfohlen hatten, dort den amerikanischen Nationalfeiertag zu verbringen. Und es war eine goldrichtige Entscheidung: Das Hostel nur wenige Meter vom Strand entfernt, voll mit partyfreudigen Leuten aus aller Welt, die Strandpromenade bereits bei meiner Ankunft zwei tage vorm Independece Day ganz in rot-weiß-blau geschmückt, Bars, soweit das Auge reicht, ideale Bedingungen also.
Der eigentliche Independence Day (der Tag, an dem die USA 1776 offiziell ihre Unabhängigkeit von England erklärten) war eine ganztägige Explosion in rot-weiß-blau: Luftballons, Girlanden, Fahnen, T-Shirts, Gesichtsbemalung, Perlenketten, Badehosen, Sonnenbrillen, Bierdosen, Bikinis (sofern sie genug Stoff hatten, um Farben erkennen zu können), sogar Hunde waren rot-weiß-blau dekoriert, von einem Typ im komplett rot-weiß-blauen Stars-and-Stripes Anzug mit passendem Zylinder ganz zu schweigen (der aber leider meiner Kamera entwischt ist). Kurz: Überall rot-weiß-blau, überall Stars and Stripes. Und alles, was ich dazu farblich passend bieten konnte, war ein Schal aus Kambodscha, einem Land, das die USA vor 35 Jahren noch in die Steinzeit gebombt hatten... nette kleine Ironie am Rande. Genauso wie die Tatsache, dass ich den größten Teil des Independence Day mit einem Rudel Engländer verbrachte, sprich, genau dem Volk, von dem sich die jungen Vereinigten Staaten damals lossagten, und das jetzt in Form biertrinkender, jointrauchender Mittzwanziger wieder zurückgekehrt ist.
Der Independence Day ist im Grunde weniger eine öffentliche Megaparty als vielmehr ein großes Familienfest, eine gemütliche Grillerei daheim mit Barbeque, Bier und lange nicht gesehenen Tantchen und Cousinen. Darüber hinaus gehende Partys und Barbesuche scheinen eigentlich nur das Tüpfelchen auf dem i zu sein, selbst für die junge College-Partycrowd . Netterweise durfte ich das mit einigen Leute aus dem Hostel live miterleben, nachdem uns beim Fortgehen am Abend zuvor eine nette Gruppe Jungs zu ihrer Familienfeier eingeladen hatten. So verbrachten wir einen gemütlicen Nachmittag mit Barbeque, Bier (bzw. ich als dekadenter Mitteleuropäer mit einer Flasche Rotwein), musizieren (Hausherr und -in waren beide musikalisch veranlagt, er sogar Sänger in einer offenbar national bekannten AC/DC-Coverband!) und Beer Pong, einem offenbar uramerikanischen Trinkspiel. Nähere Erklärungen spare ich mir an dieser Stelle, Vorführungen gibt's nach der Rückkehr am nächstbesten Tischtennistisch. Der Vollständigkeit halber durfte danach natürlich auch das erwähnte "Tüpfelchen auf dem i" in Form diverser Barbesuche nicht fehlen, lustiger und charmanter war aber zweifelsohne die Familienfete vorher.
Nach nun gut einer Woche in Amerika war mittlerweile auch mein Sprachzentrum angekommen und der Switsch passiert von halbschwachem "Cheers Mate"-"Tha's brillant"-Pseudo-Britisch-English zu Yo-Fuck-Wazzuuupp-Duuuuude-American-English. "Cheers, Mate" wird zu "Thanks, dude", "Wow,that's brilliant!" wird zu "Duuude, that's fuckin' awesome!", "How's it going?" zu "Yo, man, wazzuuuup?!" und ein zwangloses fuck, fucking, fucked und andere Varianten des F-Worts steigern die Authentizität des Ausländer-Englisch ungemein. Schön, wenn man wieder reden kann, wie einem der englische Schnabel gewachsen ist, "Fuckin'awesome, duuude!", sozusagen.

Freitag, 24. Juli 2009

Los Angeles/Hollywood: Stars und Sternchen

"Michael Jackson, King of Pop, 1958 - 2009". Diese wenigen Worte waren der zentrale Punkt, um den sich während meines Besuches alles in Hollywood zu drehen schien: Massenweise MJ-Gedenk-T-Shirts in allen Farben und Motiven in jeder Auslage jedes Shops; aus allen Richtungen, Shops, Autos, Lokalen, Ghettoblastern, dröhnte seine Musik, mal hier "Billie Jean", mal dort "Thriller", hier "Beat it", dort "The way you make me feel" (da fragt man sich, was passieren wird, wenn Celine Dion stirbt? Überall "My heart will go on"?! Gott sei uns gnädig...); alle paar Meter Straßenhändler, die T-shirts, Anstecker, Poster, gemalte Bilder, einfach alles feil bieten, mit dem sich Kohle machen lässt, wenn nur Michael Jacksons Kopf, Hand oder Name drauf ist. Und natürlich wird sein Stern am Walk of Fame zur Kultstätte: Umrahmt von Polizeiabsperrungen türmen sich dort Blumensträuße, selbstgemalte Bilder, Luftballons, Kerzen, selbstgebastelte Plakate, und hunderte Menschen erweisen ihm die letzte Ehre oder fotografieren den Auflauf rund um den Stern, bewacht/beaufsichtigt von vier Polizisten. Und sogar ein unbekannterer Namensvetter des King of Pop, der ebenfalls einen Stern am Walk of Fame hat, allerdings an einer wesentlich weniger prominenten Stelle als der "Billie Jean"-Michael Jackson, wird mit Kerzen und Blumen bedacht. Allerdings auch mit einem Hinweiszettel, der wohl weitere Trauergaben verhindert hat: "Ihr betrauert den falschen Stern, ihr Idioten! Der echte befindet sich vor dem Mann's Chinese Theater! Glaubt ihr wirklich, der echte Michael Jackson hätte einen Stern an einer derart miesen Stelle?! Gezeichnet, Shawn Younai":-)
Weil es hier dauernd um den Walk of Fame geht, an dieser Stelle ein bißchen unnützes, Zum-Angeben-Auf-Partys-Wissen darüber: Die Sterne schmücken sowohl den Gehsteig des Hollywood Boulevard als auch den der kreuzenden Vine Street, die Kreuzung Hollywood & Vine ist dementsprechend sein Epizentrum und wird an allen vier Ecken mit einem Sonderstern geschmückt, der der Crew von Apollo 11, den ersten Menschen am Mond, gewidmet ist. Einen Stern bekommt man, wenn man mindestens fünf Jahre im Showbusiness erfolgreich war, von einer Kommission vorgeschlagen wird und noch dazu 25'000 Dollar locker machen kann (auch ein Weg, die Gemeindekasse zu füllen...). Es gibt fünf Kategorien, Film/Fernsehen/Radio/Comedy/Musik, man kann daher in mehreren Kategorien Sterne bekommen, es gibt aber nur einen Künstler, der es in allen fünf Kategorien geschafft hat, nämlich Gene Autry (wem der Name was sagt....). Mittlerweile sind die Sterne auch nicht mehr auf reale Personen beschränkt, sondern einen Stern kann so ziemlich jeder und alles kriegen: Eine Person, eine Gruppe, ein Tier, eine Cartoonfigur, eine Firma. Dementsprechend hat Lassie einen, Donald Duck, die Beatles und Queen, Godzilla, Winnie the Pooh, das LAPD Hollywood und, haha auch der Walk of Fame selbst hat sich einen Stern verpasst. Und eine letzte Anekdote: Alle dieser Sterne schmücken wie gesagt die Gehsteige des Hollywood Boulevard und der Vine Street. Alle außer dem von Muhammed Ali: Der wurde im Foyer des Kodak Theatre angebracht, weil Ali nicht wollte, dass die Leute auf seinem Namen herumsteigen.
Soviel zum Thema Stars und ihre Sternchen. Wer noch mehr wissen möchte: http://www.seeing-stars.com/Immortalized/WalkOfFame.shtml. Mit Berichten über Disneyland und die Universal Studios kann ich leider nicht dienen, da war ich vor einigen Jahren schon und hatte weder finanziell noch sonst irgendwie ein Bedürfnis, da nochmal vorbeizuschaun.
Ein Vergnügungspark, der allerdings noch auf der Liste stand, und dieses Mal abgehakt wurde, war Six Flags' Magic Mountain. Ein Park, der komplett aus gut 20 Wildwasser- und Achterbahnen besteht, von denen jede einzelne das Highlight eines eigenen Parks sein könnte. Und ich kann stolz berichten: Ich bin durch alle Achterbahnen durch, jede einzelne, every single fucking one of them. Hier nur einige Schmankerl aus diesem wortwörtlich rasanten Tag: Der "Monster Coaster" (O-Ton Flyer) "Goliath" hat als Start und gleichzeitig Highlight einen freien Fall über 80 Meter mit gut 130 km/h in einen Tunnel, der zum Zeitpunkt des Falls den Durchmesser eines Golfballs zu haben scheint; Im "Riddler's Revenge", laut Flyer die höchste und schnellste Steh-Achterbahn, saust du tatsächlich im Stehen durch ein enges Netz aus Drehungen und Loops und, wie es scheint, nur Zentimeter am Boden und Bäumen und ähnlich unbedeutenden Hindernissen vorbei; Im "Tatsu" fliegst du wortwörtlich durch die Strecke: Nach dem Einsteigen und Anschnallen werden die Sitze nach hinten hochgeklappt, du befindest dich also in einer sitzenden Körperhaltung, allerdings mit Bauch und Gesicht Richtung Boden. Und so gehts dann durch mehrere Loopings, enge Kurven (Jaja, die Fliehkraft, die alte Sau...), schier endlose Gefälle, etc.; "Superman The Escape" schiesst dich in sechs Sekunden von 0 auf ca. 150 km/h eine Rampe rauf, die es dann in ähnlich wildem Tempo wieder rückwärts runter geht; Beim "Deja Vu" wirst du unten an den Schienen hängend nach hinten in die Vertikale hochgezogen, bis du, Gesicht voran, sprich, nach unten, gute 30 Meter hoch hängst, dann wirst du durch Loops und Drehungen und usw. bis zum "Ende" in Form einer vertikalen Rampe durchgeschossen, dort wieder hochgezogen, diesmal mit dem Gesicht nach oben, losgelassen und dann geht's nochmal durch den ganzen Ritt durch, nur diesmal mit dem Rücken nach vorne. Und schließlich X2, der ultimative Höllenritt: Tiefe Gefälle, Loops ohne Ende, enge Kurven, extreme Geschwindigkeit, und, wie der Flyer versprochen hatte, fünfdimensional: Denn während dein ganzer "Waggon" durch die genannten Hindernisse schiesst, dreht sich auch noch jeder einzelne Sitz um die eigene horizontale Achse oder schüttelt dich einfach mal kräftig durch. Ein weiterer Test, den mein Magen mit Auszeichnung bestanden hat. Wobei, nach der südostasiatischen und fidjianischen Küche war das magentechnisch gesehn eh ein Spaziergang ;-)
Und schließlich als krönendes Ende des Hollywood-Besuchs ein Insider-Tipp, über den ich zufällig gestolpert bin: 1921 Sunset Boulevard. Eine unscheinbare Adresse, ähnlich, aber kleiner und wesentlich cooler als der Walk of Fame: Der Rock-Walk! Alle großen Rockstars, Gitarristen und Musiker haben hier ihren Handabdruck hinterlassen, Eddie van Halen, Jimmy Page, Steve Vai, Guns'n Roses, AC/DC, James Brown, Frank Zappa, Joe Zawinul, usw. Und die, die da schon nicht mehr am Leben waren, sind in Bronzeköpfen an der Wand verewigt: John Lennen, Stevie Ray Vaughan, Randy Rhoads, Elvis, Marvin Gaye, usw. Das finale Schmankerl aber ist das lokale "Guitar Center" gleicht dahinter: Ganze Türme aus Gitarrenverstärkern und Effektgeräten, Wände bis unter die Decke tapeziert mit Sechssaitern, ein Nirvana aus E-Gitarren, Akustik-Gitarren, Westerngitarren, kurz: einfach alles, was sechs Saiten hat, geil ausschaut und ordentlich Krach macht. Und im Inneren dieses Musiktempels der heilige Gral: Ein kleiner Raum, voll mit den Ferraris unter den Gitarren, Custom Les Pauls, PRS', eine doppelhälsige Gibson SG, diverse Signature-Modelle, usw., und jede kostet ungefähr zum Preis eines Kleinwagens. Aber hey, ein gebrauchter Opel Corsa oder eine Gibson Les Paul Custom Supreme Cherry Sunburst? Das wäre wohl die einfachste Entscheidung meines Lebens ;-)

Dienstag, 21. Juli 2009

Fidji: Viti Levu/Paradise Harbour: "It's Saturday, they know Papa's coming..."

Wer will schon mit Dephinen schwimmen, wenn er mit Haien tauchen kann? Getreu diesem Motto hatten Lukas und ich einen speziellen Tauchausflug auf Fidji geplant, bei dem man zahlreiche Exemplare verschiedenster Haiarten zu sehen bekommt. Was anderswo auf Glück und Zufall beruht, basiert bei diesem Tauchangebot auf einem ganz einfachen Grund: Hier werden sie gefüttert. Da Lukas aber letztlich doch das entspannte Strandleben vorzug und die Zeit dann zu knapp wurde, blieb es nach unserem improvisierten Abschied an mir, mich diesem Nervenkitzel zu unterziehen. Ein harter Job, aber irgendwer muss ihn ja schließlich machen... ;-)
Auf dem Boot Richtung Tauchgang poppt einem dann wieder die Frage in den Kopf: Warum eigentlich?! Wo sind die Tage hin, als noch ein Fussball oder eine Kiste Bier zur Unterhaltung genügte? Woher kommt auf einmal das Bedürfnis, aus völlig funktionsfähigen Flugzeugen zu springen oder mit Haien tauchen zu gehen? Woher es auch kam, jetzt gibt es kein Umdrehen mehr: "Hello, my name is Papa, I''ll be your captain for today and I'll also do some of the sharkfeeding later on. Today is saturday, so they'll be already waiting. They know Papa is coming...", sagt der Captain, als er sich und die Crew vorstellt. Oh, Danke Chef, jetzt fühlen wir uns alle besser. Das geht Hand in Hand mit den Geschichten einiger Leute aus dem Hotel, die einen Tag zuvor Haitauchen waren und erzählt hatten, beim zweiten Tauchgang hätten die Haie bereits in wenigen Metern Tiefe gewartet. Oh happy day, das kann ja was werden.
Diesen Umständen entsprechend heißt es beim Briefing vor dem Tauchgang dann auch nicht einfach nur "Hier ist diese Strömung, da gibt's ein geiles Riff, los geht's, viel Spaß!". Nein, es gibt äußerst genaue Anweisungen, das Ganze ist ein streng durchorganisierter Ritt. In Kurzfassung: Runter auf 30 Meter Tiefe, dort gibt es eine Korallenmauer, hinter der gekniet wird, dann erste Fütterung, nach einer Viertelstunde rauf bis auf ca. 10 Meter, nächste Fütterung, diesmal noch näher an den Viechern dran, und dann wieder zurück, vorzugsweise in einem Stück mit allen Gliedmaßen unbeschadet.
Mit einem mulmigen Gefühl und Horrorvorstellungen von wartenden Weißen Haien geht die Gruppe dann ins Wasser, aber entgegen den Prophezeiungen wartet kein hungriges Hairudel gleich unter der Wasseroberfläche. Allerdings, irgendwer scheint doch zu wissen, dass wir kommen, denn kaum sind alle untergetaucht, schwirren schon unzählige Fischschwärme um uns herum. Und siehe da, einige Meter weiter unten, kaum mehr als ein Schatten, sieht man auch schon die eine oder andere charismatische Haifischflosse lautlos vorbeischweben.
Nachdem dann alle zehn Taucher hinter der Mauer Platz genommen haben, ständig "bewacht" von vier Divemastern mit Eisenstäben, beginnt die Show: Vom Boot wird eine grüne Bio-Mülltonne voll mit totem Fisch zum "Fütterer" heruntergelassen und noch bevor er die versiegelte Tonne überhaupt öffnen kann, steckt er inmitten eines Wirbelsturms aus Fischen aller Farben, Formen und Größen, die alle ein Stückchen vom Kuchen abhaben wollen. Black Tip und White Tip Reef Sharks, Grey Reef Sharks, Lemon Sharks, Nurse Sharks und auch Bull Sharks (bitte fragt mich nicht, wie die alle auf deutsch heißen, Leo und Wikipedia wussten es auch nicht...) sind in der Menge zu finden. Vor allem auf letztere gilt es aufzupassen bei gut 2,5 Meter Länge und über hundert Kilo Gewicht. Alles in Allem ein faszinierender Anblick, und man fragt sich, warum die Leute anderswo auf ihre Tauchgänge nur die bloße Hoffnung auf Haie und andere große Fische mitnehmen statt einfach etwas Futter ;-)
Zum zweiten Fütterungsstop kommen zwar nur noch die kleinere Fische und Haie, aber die bloße Nähe macht es noch viel unheimlicher. Auch wenn die Exemplare der kleineren Haigattungen kaum einen Meter groß sind, sie sind immer noch eindeutig als Hai erkennbar. Wenn sie nur wenige Zentimeter entfernt vorbeischwimmen oder einige Sekunden direkt auf dich zu, dann, wie man immer so schön sagt, spielt Größe plötzlich wirklich keine Rolle mehr.
Das Briefing für den zweiten Tauchgang fällt noch etwas gruseliger aus als beim ersten Mal, denn nach den Erklärungen zum Ablauf (Runter auf 15 Meter, hinter der Korallenmauer hinlegen und LIEGEN BLEIBEN!!, bis der Chef das Signal zum Aufbruch gibt) besteht "Papa" darauf, uns noch einige Hinweise zu geben für den unwahrscheinlichen Fall, dass "Doris" oder "Scarface" auftauchen: vier bzw. fünfeinhalb Meter große Damen der Gattung Tigerhai, die im Schnitt einmal pro Monat in der Gegend aufkreuzen. Eine Mischung aus Angst, Faszination und morbider Hoffnung erfüllt die Gruppe (oder zumindest mich), als er erzählt, dass sie die gut einen Kubikmeter große Metallbox mit dem Futter drin am Boden festschrauben mussten, weil "die Damen" sie mehrmals als Ganzes mit dem Maul abgerissen hatten. Oder dass wir die ganze Zeit auf jeden Fall liegen bleiben sollen, weil sie bei ihren Runden um den Fütterer mit ihren riesigen Schwanzflossen durchaus auch einmal über uns hinwegstreifen könnten, und sollten sie dabei jemandes Kopf erwischen, wäre dieses Zusammentreffen für den Taucher doch eher ein Erlebnis der unguten Art.
Der ultimative Nervenkitzel eines Tigerhai-Besuchs bleibt uns letzten Endes erspart, leider oder Gott sei Dank, wer weiß. Aber auch die zehn bis fünfzehn Bullenhaie, die sich durchfüttern lassen, geben einen mehr als ausreichend imposanten Anblick ab: Wie ein Torero den Stier führt der Fütterer den jeweiligen Hai eng an sich vorbei, und nur wenige Sekundenbruchteile, nachdem seine Hand das Futter, meist faustgroße Fischstückchen, losgelassen hat, mampft auch schon ein gewaltiges Haimaul darauf herum. Dabei befinden sich wieder unsere Bodyguards mit den Eisenstangen rund um uns herum und auch hinter dem Fütterer, um ihm den Rücken frei zu halten und jedem Hai einen Nasenstüber zu verpassen, der aus der Reihe tanzt. Als zusätzlichen Schutz trägt der Fütterer eine Art Kettenhemd unter dem Tauchanzug, das über seinen Oberkörper und den rechten Arm, also die Fütterungshand, reicht. Ich wage einmal zu behaupten, wenn es hart auf hart kommt, Haifischzahn auf Metall, dann schützt das Hemd ihn genau so gut wie ein Semmerl den Leberkäs, aber gut, es schaut cool aus und hilft der Psyche, das is ja schon mal was. So zieht er dann seine Haifisch-Torero-Nummer ab beziehungsweise taucht einmal ein paar Meter noch oben, lässt das Futter fallen und die Haie darum "jagen".
Zu guter Letzt muss ich allerdings etwas die Luft aus meinem Heldentum rauslassen: So abenteuerlich, spannend und unterhaltsam der ganze Trip angepriesen wurde und letztlich auch war, so professionell wurde er auch konzipiert und durchgeführt. Jegliches Gefühl von Unsicherheit oder Gefahr war so weit weg, dass mir ehrlich gesagt während des zweiten Tauchganges meine vor Kälte bibbernden Zähne und Glieder mehr Kopfzerbrechen bereiteten als die Anwesenheit und Nähe zahlreicher Bullenhaie, einer Haigattung, die neben dem Tiger- und dem Weißen Hai für die meisten Angriffe auf Menschen verantwortlich gemacht wird.

P.S.: Mangels einer guten Unterwasserkamera kann ich leider nur diese dürftigen Überwasser-Fotos anbieten. Meine Bitte an meine mit Unterwasserkameras ausgerüsteten Taucherkollegen, mir nach dem Tauchgang einige ihrer Fotos zu schicken, haben sie bisher leider ignoriert. Wer einige Unterwasseraufnahmen vergangener Tauchgänge sehen möchte bzw. gern mehr Infos zu dieser Gaudi hätte, der findet beides hier: www.fiji-sharks.com.

Sonntag, 5. Juli 2009

Vom Regen in die Traufe

Nach fast zwei Wochen Inselhopping neigte sich meine Zeit auf Fidji leider dem Ende zu, und wie im letzten Eintrag schon erwähnt, gab es zwischen Matthias und mir nur einen superkurzen Abschied, als er die Yasawa-Fähre in einem Zubringerboot verlies, während ich von meinem letzten Ressort in einem anderen Zubringer zur Fähre kam. Die dunklen Wolken am Himmel waren schon ein erster Indikator, dass da eine Wahnsinns-Bootsfahrt irgendwo zwischen "spannend" und "Himmelfahrtskommando" auf mich zu kam.
Sobald sich die Fähre weg von den zubringerbooten und raus aus den geschützten Buchten gewagt hatte, zeigte der Pazifik sein wahres Gesicht: Vier bis fünf Meter hohe Wellen ließen die Fähre - einen immerhin gut 45 Meter langen Katamaran - dermaßen springen, dass die ersten schon gleich einmal zu den weißen Papiertüten am Sitz vor ihnen greifen mussten, während die übliche Gruppe besoffener Engländer johlte und kreischte wie in einer Achterbahn. Spätestens nach den ersten zwei Stunden der Fahrt führte der weitere Weg aber weg von den Inseln durch das offene Meer und damit war endgültig Schluß mit lustig: Während die Wellen immer höher stiegen, wurden die Passagiere immer stiller. Als sich dann auch noch ein Rettungsboot löste und inmitten der rauhen See von der Crew wieder festgezurrt werden musste, wich auch in den Gesichtern der ganz Hartgesottenen der spaßige Achterbahn-Ausdruck Blicken voller Angst und Schrecken. Noch dazu war das Boot spürbar undicht, es tropfte von der Decke, und auch durch die nicht verschließbaren Außentüren spritzte bei jeder größeren (sprich: bei jeder) Welle das Wasser in die Kabine.
In der Nähe der kleinen Koralleninsel Beachcomber erlaubte uns die See eine kurze Verschnaufpause. So dachte ich jedenfalls, bis das Boot plötzlich mit einem dumpfen Scharren zum Stillstand kam. In der Kabine völlige Stille bei Passagieren und Crew, draußen das Dröhnen der Motoren und das Knarzen des Schiffsrumpfes: In der Dunkelheit hat der Kapitän das Schiff auf ein Riff gesetzt und kriegt es jetzt nicht mehr frei. Zu diesem Zeitpunkt war es 19 Uhr 30, wir waren noch eine halbe Stunde vom Zielhafen entfernt (bei gutem Wetter!), und um 22 Uhr sollte ich eigentlich im Flieger Richtung LA sitzen.
21 Uhr: Nach gefühlten drei Tagen trifft endlich eine Ersatzfähre ein, um die Passagiere an Land zu bringen. 21 Uhr 40: Wir erreichen endlich den sicheren Hafen, dickes Lob an den anderen Kapitän. Kurz vor 22 Uhr: Wir erfahren, dass die gesamte Boeing 747 mit 459 Passagieren auf sechs Leute unserer Fähre wartet. Aber wie lange noch? 22 Uhr 10: Endlich am Flughafen, jetzt aber schnell: Pass? Hier! Ticket? Hier! Visanummer?... Sch...
Zwischenfrage: Warum muss man für die Einreise ins glorreiche "Land of the free" dasselbe Formular zweimal ausfüllen, einmal für den Grenzschutz und einmal für das "Department of Homeland Security"? Noch dazu ein dermaßen sinnloses, mit Fragen wie "Planen sie, mit Drogen zu dealen?" Welche ehrliche Antwort wird hier erwartet: "Ja, ich plane, die fünf Kilo Hasch in meinem Rucksack in Washington zu verticken, vom Erlös kaufe ich mir eine Atombombe, jage damit das Weiße Haus in die Luft und tanze auf den Ruinen Cha-Cha-Cha, was glaubt ihr denn?!"
Aber was solls, schnell noch das dumme Formular ausfüllen (Zumindest bin ich nicht der einzige, der die blöde Nummer verschmissen hat), bevor der Check-In-Schalter schließt, dann weiter im Laufschritt durch die Sicherheitskontrolle, ab zum Gate und mit einem letzten "Bula!" schwer keuchend in den Flieger. Hinter mir schließt sich die Tür und mit einer Stunde Verspätung heben wir schließlich Richtung LA ab.
Witzig, noch bei unserem letzten Flug hatten wir darüber gescherzt, wie cool es nicht wäre, so lange direkt vor dem Gate sitzen zu bleiben, bis man als letzter überfälliger Passagier persönlich aufgerufen wird und dann ganz locker-lässig reinzuspazieren. Nachdem ich das nun gezwungenermaßen erleben durfte, kann ich jetzt sagen: Matthias, probiers nicht aus, es reicht, wenn einer von uns diese Erfahrung machen musste!