Montag, 2. März 2009

Ge-fähr-liches Reisen in Thailand

An dieser Stelle noch ein paar Sätze, wie wir Koh Phangan und Koh Tao überhaupt erreicht haben, war ja doch ein Stückerl von Koh Phi Phi an die thailändische Westküste weiter zur Ostküste und weiter nach Koh Phangan, summa summarum gute 16 Stunden in einem Rutsch via Fähre, Bus und Nachtfähre.
Besonders letztere war ein denkwürdiges Erlebnis: Abfahrt 23 Uhr – Ankunft 6 Uhr morgens, also gute sieben Stunden für eine Strecke, die die normale Fähre tagsüber laut Lonely-Planet-Bibel in knapp drei Stunden bewältigt. Es stellt sich die Frage: „Werden wir für unser Geld vielleicht selbst rudern müssen? Sooo billig wars eigentlich nicht, aber sieben Stunden, hhmm...“ Am Pier angekommen brummt aber schon der Motor, gelobt sei der Herr, also doch kein nächtlicher Wassersport.
Dafür hält allerdings das Innere der Fähre eine Überraschung bereit. Eigentlich hatten wir mit einer ganz normalen Fähre gerechnet, die eben nachts fährt (fähret? fähriert?)und daher etwas länger braucht, wegen weniger Sicht, Ebbe, Fischernetzen, die nachts ausgeworfen werden, Eisbergen, die in der kühlen Dunkelheit der Nacht auftauchen, wegen weiß-der-Geier-was... Und schlafen würde auf den billigen Plastiksitzen wie üblich nur möglich sein in den unmöglichen Verrenkungen und Körperhaltungen, bei denen bei jedem Chiropraktiker und Physiotherapeuten die Dollarzeichen in den Augen blinken. So zumindest unsere Vorstellung. Aber falsch gedacht. Das Innere der Fähre ist ein einziges großes Matrazenlager: Durch die Mitte führt ein ein Meter breiter Gang, daneben stehen in regelmäßigen Abständen Gerüste mit einem Bett obenauf und Stauraum fürs Gepäck darunter, der restliche Raum zwischen Gang und Außenwand besteht über die gesamte Länge des Raumes (ca. 40m) aus jeweils 50 Matratzen mit durchnummerierten Schlafplätzen. Ein Schlafsaal für insgesamt über 100 Leute aller Hautfarben und Nationalitäten, Schweden schläft neben Australien schläft neben Thailand schläft neben Deutschland schläft neben Kanada. Nur uns hat der Zufall geographisch korrekt neben zwei Schweizerinnen gelegt, mit denen wir dann auch die kommenden Tage auf Koh Phangan verbracht haben.
Insgesamt erinnert das Ganze etwas an Bilder von Atlantikreisenden im beginnenden 20. Jahrhundert (Stichwort Titanic, 3. Klasse, die, die im Film zuerst abgesoffen sind). Aber mit einem oder zwei Einschlafbierli und einem Schlückchen Schlaftrunk aus dem Flachmann war das Schlafen erstaunlich leicht möglich. Die Tatsache, dass noch 100 weitere Leute im Raum schafen, war weniger störend als unsere Gepäcksparanoia („He, der Thai da drüben hat schon wieder so komisch auf deinen Rucksack geschielt....“), die letztlich zu einer entspannten Rückenlage mit Kopf auf dem kleinen Rucksack (der Pass, Geld und Bibel enthält) und Füßen auf dem großen (der unser gesamtes restliches Dasein enthält) führte. Der Chiropraktiker hat schon die Dollars in den Augen...

Auch unsere Ankunft an der nächsten Station Koh Tao ein paar Tage darauf war, hm, sagen wir mal, denkwürdig. Als wir am Pier einlaufen, weist uns im Unterdeck ein Crewmitglied darauf hin, dass wir unbedingt an unserem Platz sitzen bleiben müssen, bis am Oberdeck alle ausgestiegen sind, weil die Fähre überfüllt ist und wir ins Schaukeln geraten, wenn alle gleichzeitig losstürmen. Oder so haben wir das zumindest aus seinem gebrochenem Englisch herausinterpretiert: Mehr gebrochen als Englisch, aber zumindest waren die zentralen Elemente der Ansprache gut verständlich: „... very dangerous... you all can die!“

Beim Ausstieg bietet sich dann eine Szenerie wie bei der Landung amerikanischer Nachschubtruppen im Irak: Hunderte junger Menschen, schwer beladen mit überdimensionalen Rucksäcken, trotten vom Schiff und werden von dunkelhäutigen einheimischen Fahrern in Jeeps und Pickups in ihr Lager verfrachtet. Nur eben in Flip-Flops, Badehosen und Bikinis statt in Springerstiefeln und Kampfanzug, und statt ins U.S. Army Headquarter Bagdad-Süd geht’s ins Coral Grand Dive Ressort, Simple Life Ressort, Seashell 5-Star-Ressort, usw. Beziehungsweise, es war weniger ein Bataillon Marines, das da mit uns von Bord ging, sondern vielmehr die schwedische Elite-Urlaubseinheit „Division Smörebröd“: Wortwörtlich hunderte Ingas und Björns, knallblond, braungebrannt und gut gebaut, schwedische Flip-Flop-Cornettos, soweit das Auge reicht. Speziellen Anlass für die Schwedeninvasion gab es offenbar aber keinen, die einzige annähernd zufriedenstellende Antwort gab’s einige Tage später bei einer Unterhaltung in einer Bar: „We’re from Sweden. It’s dark and cold. Right now, we have two hours of daylight where we live. And the beer is fucking expensive.” OK, fair enough, welcome to Koh Tao…

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