Montag, 2. März 2009

Singapurs lebendigste Seite

Singapur lebt. Nach zwei sehr schönen, aber eher, hm, sterilen Tagen in Singapur hat uns die Stadt am letzten Abend ihre meiner Meinung nach lebendigste Seite offenbart: Little India. Als wir nachmittags unser Hostel dort bezogen, absolut tote Hose: brütend heiß, lauter kleine, größtenteils geschlossene Shops, relativ abgefuckte Straßen. Aber offenbar hat die Sonne beim Untergehen dort das Licht angeknipst und die Musik angemacht. Nach einem Tag am Mount Faber (heiße 116m Höhenmeter, der Weg zum Gipfel dorthin ungefähr gleich lang) und auf Sentosa Island (beides schön, aber letztlich unspektakulär) kommen wir aus der U-Bahn-Station und die Straßen sind plötzlich voller Menschen: Eine zähe, dunkelhäutige Masse, die sich durch die Straßen wälzt bzw. in kleinen Gruppen am Straßenrand steht und wahrscheinlich das Weltgeschen diskutiert (oder, noch viel wahrscheinlicher, über die Frau daheim schimpft). Dazwischen immer wieder Autos und Kastenwägen, die sich irgendwie einen Weg durch ein Chaos bahnen, was ungefähr dem Versuch entspricht, am einem Samstag mit einem 7er-BMW eine Spazierfahrt durch den Europark zu unternehmen. Der Tumult spricht alle Sinne der Besucher an, er schreit auf allen Kanälen: Die vorher abgefuckten Shops blinken jetzt grell in allen Farben und Formen, und bieten alles von den neuesten, schlecht kopierten Indi-Pop-CDs über Elektrogeräte bis zu sämtlichen Kleidungsrichtungen, daneben und dazwischen Gemüsegeschäfte und Lebensmittelhändler; von überall herr plärrt Musik, mal die neuesten (nehm ich halt mal an) Bollywood-Pop-Boybands, mal eher traditionelle (wiederum: ich nehms mal an) indische Musik mit dieser Tröte als Melodieinstrument, die aussieht wie ein ausgerolltes Horn ohne Ventile und klingt eine kaputte Oboe; dazu mischen sich die Karotten-, Salat-, Zucchini-, usw.-Gerüche aus den Gemüseständen, Curry und anderes Undefinierbares aus den Lokalen und, allein bedingt durch die Masse und Enge, der eine oder andere Körpergeruch.


Unsere Geschmacksnerven bombardieren wir dann ganz freiwillig bei einem guten, aber undefinierbaren Abendessen in einem der lokalen, ähm, Gasthäuser. Die Bestellung: Wir haben einfach enthusiastisch genickt und ge-yes-t, als der, ähm, Kellner in seiner (wahrscheinlich) Speisekarten-Aufzählung "Chicken" und "Rice" erwähnte. Was dann kam, mag prinzipiell schon Chicken und Rice enthalten haben, es sah aber definitiv nicht mehr danach aus, mit einer Sauce, die bei jeglicher Art von Ausscheidung nur unwesentlich Farbe und Aggregatzustand geändert hätte.... Egal, gut wars trotzdem.
In all dem Chaos gab es offenbar aber doch einige Konstanten. Erstens hätte man glauben können, man wäre in einem Outdoor-Schwulen-Klub. Nur Männer. Überall lachende, dunkelhäutige indische Männer-Gesichter, meist verziert mit einem Schnurbart und umrahmt von wellenden Gel-Locken oder Föhnfrisuren, die einer Mischung aus George Michael Prinzessin Leia ähneln. In ihrem Grüppchen-Diskussions-Verhalten erinnern sie ein bißchen an die Trauben von Männern, die sonntags in kleinen österreichischen Dörfern vor der Kirche stehen, die neuesten Krone-Schlagzeilen diskutieren und sich dann nach getaner Andacht zum Frühschoppen zum örtlichen Priester- oder Postwirt verziehen.

Davon abgesehen scheint es an diesem Abend in Little India eine Art Dresscode zu geben. Erstens: Kragen muss sein, entweder Hemd oder mindestens Poloshirt. Und zweitens: Feinripp, Baby. Unter den meisten Hemden leuchten, ob man sie sehen will oder nicht, die Unterhemden der Träger durch, was mich nicht nur modisch bedenklich stimmt, sondern allein schon zwecks der Temperatur. Nach diesem Overkill an Eindrücken verbringen wir den restlichen Abend in einer Bar neben dem Hostel mit anderen Backpackern und wiedermal völlig überteuerten Bieren (diesmal 5€ pro Halbe). Der Einstieg in die Gruppe gestaltet sich dank meiner Österreich-Dress relativ unkompliziert, da eine Österreicherin am Tisch dadurch sehr einfach unseren gemeinsamen sprachlichen Hintergrund erkennt. Und obwohl sie als nächstes fragt, ob ich dieses T-Shirt ironisch trage (sie wohnt schon a Zeitl in der Schweiz, es sei ihr verziehen ;-) ) wird der Abend noch sehr lustig, lange und feuchtfröhlich.

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